Es ist 8 Uhr an einem Märzmorgen in der Atacamawüste. Wir sitzen zu zweit auf der Rückbank in einem klimatisierten SUV und wurden gerade von Angela, unserer Bergführerin, und ihrem Fahrer abgeholt. Angela ist eine Stimmungskanone, die auch Klettertouren über ihre eigene Agentur anbietet. So fällt es uns nicht schwer, während der Fahrt wach zu bleiben. Auf der Hinfahrt lernen wir, dass der Cerro Toco aufgrund der guten infrastrukturellen Anbindung und der großen Ausgangshöhe einer der am leichtesten zu besteigenden Fünftausender ist. Wir übernachten nun schon seit vier Tagen in San Pedro de Atacama (2407 m), das erst seit wenigen Jahrzehnten touristisch erschlossen ist. Schrittweise haben wir uns an die Höhe gewöhnt und in den Tagen zuvor verschiedene Ausflüge auf der argentinischen Seite der Anden rund um Salta gemacht, wie etwa die Salinas Grandes (3450 m) und Hornocal (4350 m).
Vorbereitung und Ausrüstung
Nach einer guten halben Stunde auf der Ruta 27 verlassen wir die asphaltierte Straße und fahren auf einem Schotterweg weiter. Unterhaltungen fallen durch die Lautstärke nun schwerer. Eine weitere knappe halbe Stunde später ist unser Ausgangspunkt für die Besteigung erreicht. Unser Fahrer parkt an einer verbreiterten Stelle einer Wegverzweigung. Angela übergibt uns Papiertüten mit Verpflegung sowie Wanderstöcke und jeweils einen Helm. Schon beim Aussteigen auf ca. 4900 m merken wir die Höhe bereits bei wenigen Schritten. Wir werden darüber aufgeklärt, dass man hier oben sehr schnell ohnmächtig werden kann und im schlimmsten Fall bewusstlos den Abhang hinunterstürzt. Bei Schwindelgefühl soll man sich sofort flach auf den Boden legen. Wir suchen uns Wasser, Energydrinks, Müsliriegel und köstlich schmeckende Energyballs mit Haferflocken, Trockenfrüchten und Kakao aus unseren Tüten aus und packen sie in unsere kleinen Rucksäcke, denn wir wollen nur mit leichtem Gepäck wandern. Trotzdem ziehen wir warme Jacken und Handschuhe an, denn es ist durch die Höhe und den Wind sehr kalt. Der blaue Himmel fordert uns außerdem dazu auf, reichlich Sonnencreme aufzutragen.
Aufstieg
Nun stiefeln wir sehr langsam zu dritt los und machen alle 10 bis 15 Minuten eine Pause. Diese werden von uns gern genutzt, um von unseren Snacks abzubeißen oder einen Schluck zu trinken. Der Fahrer bleibt die ganze Zeit am Auto, damit er sich im Notfall um Hilfe kümmern kann. Angela steht über ihr Funkgerät in regelmäßigem Kontakt mit ihm. Auf halbem Weg spricht sie ebenfalls über Funk mit ihren Freunden, die in der nahegelegenen Teleskopanlage arbeiten. Dort ist weitere Notfallausrüstung gelagert, die bei Bedarf genutzt werden kann. In südlicher Richtung sieht man auch das ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array), das an der ersten Aufnahme eines Schwarzen Loches beteiligt war. In den kurzen Pausen kontrolliert unsere Bergführerin immer wieder, ob wir noch Farbe im Gesicht haben. Nachdem wir uns an den Wanderrhythmus gewöhnt haben, müssen wir mehrere überfrorene Schneefelder überqueren. Zum Glück haben wir robuste Wanderschuhe an, die uns das Laufen auf den wunderschönen Schneestrukturen, die der Wind in den Eispanzer gezaubert hat, erleichtern. In den ersten Monaten des Jahres 2019 gab es in der Atacama ungewöhnlich viele Niederschläge, die für die besonders ausgedehnten Schneefelder verantwortlich sind.
Auf dem Gipfel
Nach reichlich eineinhalb Stunden Aufstieg betreten wir um 11 Uhr als erste Gruppe am heutigen Tag das schmale Gipfelplateau des Cerro Toco auf 5604 m Höhe. Wir sind überglücklich und lassen uns gleich von Angela fotografieren. Der traumhafte Blick wird nach Norden vor allem durch den inaktiven Vulkan Licancabur (5920 m) und den benachbarten Juriques (5704 m) an der unweiten bolivianischen Grenze geprägt. Wir setzen uns auf dem Gipfel neben die bunte Inkaflagge und genießen einen weiteren Energyball. Angela erklärt uns, dass hier sehr genau zwischen Cerro = Berg und Volcán = Vulkan unterschieden wird. Die Übersetzung für Toco ist schlicht Stein. Einige Minuten später erreicht die nächste Gruppe den Gipfel. Wir begrüßen die Engländer und verweilen noch 20 Minuten zusammen. In der Gruppe ist auch ein einheimischer Fahrer, der schon seit etlichen Jahren die Toco-Touren begleitet, heute aber zum ersten Mal auf dem Gipfel steht. Gratulation!
Abstieg
Den Abstieg meistern wir in weniger als der halben Zeit, die wir für den Aufstieg benötigt haben. Dabei nehmen wir leicht andere Pfade, um den uns entgegenkommenden Langschläfern nicht in die Quere zu kommen. Gleich als wir das Auto erreichen, beglückwünscht uns der Fahrer zur erfolgreichen Tour und wir dekorieren uns ab, denn um die Mittagszeit ist es schon sehr warm. Man rät uns, am verbleibenden Nachmittag viel zu trinken. Mit diesen Worten werden wir nach San Pedro de Atacama zurückgebracht und lassen es uns den Rest des Tages in der Unterkunft gut gehen.
(Text von Andreas Rümpel)