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Chachapoyas – Im Reich der Nebelkrieger

Die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Perus zentrieren sich im südlichen Teil des Landes. Was viele aber (noch) nicht wissen – auch im Norden Peru’s gibt es unglaublich viel zu entdecken! Bei meiner allerersten Reise nach Peru 2011 bin ich von Ecuador aus nach Peru gereist, habe Machu Picchu mutig links liegen lassen und mich auf den nördlichen Teil rund um Chachapoyas konzentriert.

Bagua GrandeEin absoluter Pluspunkt vorweg – bisher verirren sich nur relativ wenig ausländische Touristen in den Norden. Tatsächlich bin ich so gut wie keinem begegnet. Und: Auch der Norden hat sein Machu Picchu – die Festung Kuélap, deutlich älter übrigens und nicht weniger spektakulär gelegen. Aber der Reihe nach.

Von Ecuador nach Peru

Von Ecuador nach Peru gibt es mehrere
Grenzübergänge. Der bekannteste liegt Chachapoyasdirekt an der Küste und wird von den meisten Reisenden frequentiert. Wir kamen direkt aus Vilcabamba, einer entspannten Stadt im südlichen Landesinneren Ecuadors. Von hier aus sind wir durch den landschaftlich großartigen ‚Parque Nacional de Yacuri‘ gefahren und über den Grenzort ‚La Balza‘ eingereist, wo nicht mehr als ein wenig einladendes Hotel und ein kleines Grenzhäuschen den Übertritt nach Peru markieren und uns der Beamte 30 Minuten hat warten lassen, um seinen Solitär-Spielzug zu beenden. Nicht weniger faszinierend ist die darauf folgende Weiterreise über die komplett untouristischen Städte Jáen und Bagua Grande nach Chachapoyas. Über endlose grüne Täler, wo man sich auf Grund der überraschend auftauchenden Palmen kurzzeitig in der Karibik wähnt, führt die perfekt ausgebaute Straße durch immer tiefer werdende Schluchten. Aus fruchtbaren Tälern wird eine karge Canyon-Landschaft und schließlich Nebelwald.

Erbe der Nebelkrieger

Wolkenmenschen“ oder „Nebelkrieger“ heißen die Chachapoya in der indigenen Sprache Quechua. Ein Name, der dem prähistorischen Volk von den Inka verliehen wurde. Jenen Eroberern, welche die Chachapoya um 1475 herum und kurz vor dem Eintreffen der Spanier unterwarfen. Der genaue Ursprung der Chachapoya ist ungewiss. Die Festung Kuélap aber, das eindrucksvollste Zeugnis der Kultur, wird auf circa 400 n.Chr. datiert und ist damit deutlich älter als das im 15. Jahrhundert erbaute Machu Picchu.

ChachapoyasDie gleichnamige überschaubare Stadt Chachapoyas ist der perfekte Ausgangspunkt, um die Zeugnisse der Chachapoyas und weiterer Kulturen zu erkunden. Und derlei gibt es unglaublich viele. Zum Beispiel die Sarkophage von Karajía, eine Begräbnisstätte aus bis zu 1 Meter großen Lehmfiguren, welche in engen Felsnischen an einer steilen Felswand stehen. Wahrscheinlich wurden hier Fürsten beigesetzt. Mumien wurden auch in den an hohen Kalksteinklippen errichteten Grabkammern von Revash sowie in den alten Felsengräbern von Otuzco gefunden. Alle Stätten können problemlos mit Guides besucht werden und sind garantiert nicht überlaufen!

Kuélap – das Machu Picchu des Nordens

KuélapMein absolutes Highlight ist und bleibt aber Kuélap. Die Festung liegt oberhalb des gleichnamigen, wirklich verschlafenen Dorfes auf über 3.000 Meter inmitten der nordperuanischen Anden mit phänomenalen 360° Grad Rundumblick. Bisher war die Reise von Chachapoyas Stadt bis nach Kuélap lang und beschwerlich und führte rund zweieinhalb Stunden über eine nicht enden wollende, sehr enge und holprige Straße den Berg hinauf. Nervenkitzel beim Gegenverkehr und nahendem Abgrund inklusive. Aktuell baut Peru aber an einer 4 km langen Seilbahn, mit der man die Festung vom Tal aus leichter und schneller erreichen kann. Damit ist nicht zuletzt auch die Hoffnung verbunden, aus dem bisher weitgehend unbekannten Kuélap das ‚zweite Machu Picchu‘ zu machen. 2011 tummelten sich neben unserer kleinen Reisegruppe noch genau zwei weitere, peruanische (!) Gruppen innerhalb der Festung. Die meiste Zeit hatte man die Festung also für sich allein.

KuélapKueláp wurde auf einem Bergrücken erbaut und beherbergte auf ihren drei Ebenen wohl mehr als 300, traditionell rund konstruierte Häuser. Noch ist nicht gänzlich geklärt, ob es sich dabei um eine dauerhafte Wohnstätte oder aber nur um einen Rückzugsort im Notfall handelte. Der ganze Komplex ist rund 580 breit und 110 Meter lang und dort, wo es nicht steil mehrere hundert Meter in die Tiefe geht, mit einer bis zu 21 Meter hohen Mauer sowie Wachtürmen gesichert. Aus strategischen Gründen gibt es auch nur drei Zugänge. Ziehen Nebelschwaden vorbei, verstärkt sich der mystische Eindruck der Festung noch, wo noch so vieles unerforscht ist.

Legenden um Gocta

Wer bei seiner Reise eine Atempause von all den archäologischen Sehenswürdigkeiten braucht, dem empfehle ich unbedingt noch eine Wanderung zum umwerfend schön gelegenen Gocta Wasserfall! Der mit einer Fallhöhe von über 770 Metern drittgrößte Wasserfall der Welt wurde erst 2002 vom deutschen Entwicklungshelfer Stefan Ziemendorff wiederentdeckt und ist noch ähnlich unbekannt wie Kuélap. Zahlreiche Sagen und Legenden ranken sich um den Wasserfall, welcher inmitten des peruanischen Regenwaldes liegt und nur durch eine rund zweieinhalbstündige Wanderung zugänglich ist. So soll hier der Bauer Juan Mendoza dem süßlichen Gesang einer in der Lagune des Wasserfalls wohnenden wunderschönen Sirene gefolgt sein, was ihn wohl sein Leben kostete. Der Legende nach verschwand der Bauer und wurde nie wieder gesehen. (Text von Sally Martin)

Gocta